Die Volksbank Staufen sieht sich von ihrem regionalen Wirtschaftsprüfverband unangemessen behandelt und beschließt in einer denkwürdigen Vertreterversammlung den Austritt.
Badische Zeitung 17.04.2019
"Gallisches Dorf": Volksbank Staufen tritt aus dem Prüferverband aus
Es dürfte eine der emotionalsten Vertreterversammlungen in der 154-jährigen Geschichte der Volksbank Staufen gewesen sein. Einerseits eitel Freude über wiederum exzellente Ergebnisse samt erneuter Rekorddividende von 7 Prozent. Andererseits der einstimmige Beschluss des obersten Entscheidungsgremiums von am Dienstag 132 Vertretern zum Austritt aus dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV), dem heftige verbale Auseinandersetzungen mit Monika van Beek, der Vorstandsdirektorin des BWGV vorausgingen.
Der Jahresabschluss 2018
In der vom Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Natterer geleiteten Versammlung in der Belchenhalle in Staufen legte Vorstandsvorsitzender Erhard Stoll den Jahresabschluss 2018 vor. Dieser ist gekennzeichnet von einer Steigerung der Bilanzsumme um 5,7 Prozent auf nun 846 Millionen Euro und einem Gewinn von 7,4 Millionen Euro (BZ vom 22. Februar). Das Eigenkapital wuchs um 7 Prozent auf 147,5 Millionen Euro, die Kernkapitalquote liegt nun bei 31,3 Prozent. In den zehn Jahren seit 2008 konnte die Bank damit, so Stoll, ihre Bilanzsumme um 87 Prozent steigern und ihr Eigenkapital sogar verdreifachen. Aus 21,2 Millionen Zinsüberschuss und dem um 10,4 Prozent auf 3,7 Millionen Euro gesteigerten Provisionsüberschuss ergab sich 2018 ein Gewinn von 7,4 Millionen Euro. Gründe für den Erfolg sah Stoll in der dank des Verzichts auf den Verkauf von Derivaten und ähnlich komplizierten Produkten schlanken Struktur und dem Bekenntnis zu einem regional eng begrenzten Wirkungskreis, in dem man für die Kunden durch persönliche und individuelle Beratung in den acht Filialen höchste Relevanz erreiche. Diese Verwurzelung machte Stoll auch an anderen Zahlen fest, für die er wohlwollende Blicke der anwesenden Bürgermeister Michael Benitz (Staufen), Volker Kieber (Bad Krozingen), Rüdiger Ahlers (Münstertal) und Patrick Becker (Ballrechten-Dottingen) erntete: 2018 zahlte die Bank 4,9 Millionen Steuern und erhöhte das Kapital der gemeinnützigen Stiftung um 250 000 Euro auf zwei Millionen Euro.
Der Prüfbericht und seine Folgen
Großes Erstaunen dann, als Klaus Natterer den Tenor des gesetzlichen Prüfberichts verlas und Verbandsdirektorin Monika van Beek vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband in einem ersten Redebeitrag die Äußerungen noch unterstrich, und die dort getroffenen Feststellungen so gar nicht mit den vorgestellten bundesweit ziemlich einmaligen Erfolgszahlen in Einklang zu bringen waren. Der hohe Zufluss an Kundengeldern sei in eine erheblich über dem Durchschnitt und den Anforderungen liegende Eigenausstattung geflossen und weniger ins Kreditgeschäft. Angesichts der deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Mitarbeiterzahl seien Zweifel an einer ausreichenden Personalausstattung gegeben. Das interne Kontrollsystem sei nicht ausreichend und entspreche nicht der Anforderung, so der Prüfbericht weiter. Die Risikovorsorge liege zwar deutlich über den Anforderungen, doch gebe es bemerkenswerte Fehler im Berichtswesen und schwerwiegende Verstöße gegen Gesetze und Satzungen, die sich zwar nicht auf die Bilanz auswirkten, die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung aber in Frage stellten, so van Beek.
Engagierte und emotionale Debatte
Diese Diskrepanz zwischen Prüfbericht und realem Top-Ergebnis rief Widerspruch hervor. Rechtsanwalt Edgar Steinle, der die Volksbank (und andere Institute) bei ihren Bemühungen zum Austritt aus dem Genossenschaftsverband berät, zeigte sich "fassungslos". Noch nicht einmal bei schwer angeschlagenen Unternehmen kurz vor der Insolvenz habe er einen solchen Vortrag einer Verbandsvertreterin erlebt, so Steinle. Diese Kritik an einem "Champion" speise sich aus Kleinkram, der keiner gerichtlichen Überprüfung standhalte. Als Beispiel nannte er einen schwer gerügten angeblichen Verstoß gegen die Vergütungsverordnung. Dieser habe darin bestanden, dass in einem Arbeitsvertrag für einen Azubi der im Januar abgeschlossen worden sei, das zu dem Zeitpunkt gültige Gehalt gestanden habe, das bei dessen Arbeitsbeginn im August durch eine zwischenzeitlich erfolgte Tariferhöhung aber nicht mehr korrekt gewesen, aber selbstverständlich gezahlt worden sei.Im normalen Wirtschaftsleben wähle man den Wirtschaftsprüfer von Jahr zu Jahr aus und wechsle den Dienstleister häufig, so Steinle. Er erinnerte daran, dass es sich bei den Genossenschaftsverbänden um Dienstleister handle, die auch mit einem tief traditionell und konservativ geführten Bankhaus, dessen Zahlen für sich sprächen, klarkommen müsse. Er riet den Vertretern der Bankinhaber: "Quälen sie ihre Organe nicht mit Dienstleistern, mit denen sie nicht klar kommen".
Vorstand Erhard Stoll sah seine Bank "nicht ausreichend objektiv geprüft" und der gebotenen Neutralität bei der Beurteilung von Personen keine Rechnung getragen. Stoll vermutet höhere Interessen hinter den stetig strenger und exorbitant teurer gewordenen Prüfungen. Sein extrem leistungsfähiges und blitzsauber dastehendes Institut werde wegen der zu großen Abweichung nach oben offenbar als Reputationsschaden für den Bankenverband angesehen. "Es kann doch aber nicht sein, dass ein Verband unsere Konzeption kaputt machen will", so Stoll mit Blick auf den erklärten Willen der Volksbank Staufen eigenständig bleiben und nicht fusioniert werden zu wollen und dafür auch den Generationswechsel in seiner Nachfolge intern selbst zu gestalten.
Der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Heiner Ulmann sah die Volksbank Staufen als "gallisches Dorf südlich von Freiburg", dessen Kapital andere gerne hätten. Dem pflichtete Staufens Bürgermeister Michael Benitz in einem Plädoyer für dezentrale Bank-Strukturen bei: "Die Volksbank Staufen ist vielen ein Dorn im Auge und macht neidisch, weil sie mit seriösem, konservativem Bankgeschäft herausragende Ergebnisse erzielt." Die Bankenlandschaft sei komplett "schräg unterwegs", so Benitz. Von der großen Politik seien große Banken gewünscht, was eine Regulatorik erfordere, die kleine Banken immer mehr zuschnüre. Hier sei ein Genossenschaftsverband nicht für die Suche nach dem i-Tüpfelchen gefragt, sondern zur Lobbyarbeit für Erleichterungen für regionale Banken.Er sei dankbar für die hohen Gewerbesteuereinnahmen und unterstütze die Volksbank auf ihrem Weg voll und ganz.
Nachdem ein Vertreter darauf verwiesen hatte, dass die Bank in einem Handelsblatt-Ranking unter 1700 deutschen Banken auf Rang 7 gelandet sei und Prokuristin Tanja Bregenhorn ein leidenschaftliches Plädoyer der Bankmitarbeiter für ihr Institut gegeben hatte, wurde der Unmut beim dritten Auftritt von Verbandsdirektorin van Beek greifbar und es rührte sich keine Hand mehr zum Applaus. Sie stritt ab, dass ihr Verband in übergeordnetem Interesse agiere und die Volksbank in eine Fusion treiben wolle. Es gehe nur darum, erkannte Mängel professionell abzuarbeiten, auch wenn man zugestehe, wie stark die Bank sei.
Die Abstimmungen
Ohne Gegenstimme wurde dann der Austritt aus dem BWGV beschlossen. Als Konsequenz will man mit dem Verband verhandeln, ob eine dreiseitige Vereinbarung möglich ist, bei der man mit einem weiteren Prüfverband gemeinsam agiert. Falls der BWGV darauf nicht eingeht, wird die harte Kündigung fällig und man wird sich einen anderen Verband suchen. Dem Vernehmen nach könnte es dabei auch zu Gesprächen mit den Verbänden von Sparda- und PSD-Banken kommen.
Zuvor waren unter Leitung des Beiratsvorsitzenden Martin Wassmer Vorstand und Aufsichtsrat einstimmig entlastet worden. Der Jahresabschluss mit Ausschüttung einer Dividende von bundesweit führenden sieben Prozent wurde einstimmig verabschiedet, wie auch die erneute Wahl der Aufsichtsräte Christel Geiger und Karl-Wilhelm Gutmann.
INFO
Die Prüfung von Genossenschaftsbanken
Alle größeren Unternehmen müssen sich in Deutschland laut Handelsrecht der Prüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer Bilanz unterziehen. Hierzu wird jährlich ein Wirtschaftsprüfer bestellt. Dies gilt auch für Banken, die ihre Prüfberichte zusätzlich laut Kreditwesengesetz (KWG) auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorlegen müssen. Genossenschaftsbanken, also vor allem Volksbanken und Raiffeisenbanken, aber auch Sparda- und PSD-Banken, müssen für die gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftsprüfung laut dem Genossenschaftsgesetz (GenG) einem Prüfungsverband angehören. Es gibt noch vier regionale Prüfungsverbände, denen bislang kartellähnlich die jeweils regional zugehörigen Genossenschaftsbanken angehören. Dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband mit juristischem Sitz in Karlsruhe und tatsächlichem Sitz in Stuttgart gehören laut eigenen Angaben bislang alle derzeit 171 Genossenschaftsbanken des Landes an. Der Austritt der Volksbank Staufen ist insofern ein Novum.
Eine Pflicht, sich vom jeweiligen Regionalverband prüfen zu lassen, besteht allerdings nicht, jede Genossenschaftsbank kann sich ihren Verband aussuchen. So haben die 14 PSD-Banken und die elf Sparda-Banken jeweils eigene Verbände. Bekannt geworden sind zwei Austritte aus dem Verband Weser-Ems.
Die Mitgliedschaft in einem Genossenschaftsverband hat nichts mit der Einlagensicherung zu tun. Diese läuft über den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und die dort angesiedelte BVR Institutssicherung GmbH. Die Volksbank Staufen ist und bleibt dort in jedem Fall Mitglied.